Die Verbindung zwischen Literatur und Architektur ist ein Thema, welches mich immer wieder von neuem in seinen unterschiedlichen Auslegungen beschäftigt. Erwähnenswert sind an diesem Punkt die zeitlich nahe liegenden Lesungen mit Wilhelm Genazino am 10. und 11. Mai 2011 in Frankfurt am Main: "die Inneneinrichtung seiner Langeweile" und "Hütten, Paläste II". Zum letzteren steht im Programmheft: "Denn jemand, der ein Buch liest, ist ein Denkmal, eine Säule der Unantastbarkeit. Ein Stillleben der Intimität zwischen Autor und Leser. Das Literaturhaus stellt diese Intimität seit einiger Zeit mit Gesprächen und Lesungen in Privatwohnungen auf die Probe. In Villen und Studentenbuden, in Mansarden und Souterrains, in Wohnungen und Gemächern, in Hütten und Palästen gleichermaßen." - Die nachfolgende Buchrezension bezieht sich noch mehr auf den norwegischen Schriftsteller Knut Hamsun und seinem neu erbauten turmförmigen Haus in Hamarøy durch den Architekten Steven Holl.
Neben Deutsch ist der Band auch auf Englisch und auf Norwegisch erschienen.
Das Dokumentationszentrum über Hamsun im Norden von Norwegen wurde von Steven Holl konzipiert und umgesetzt. Das Haus gilt als unkonventionell, weil die außergewöhnliche Persönlichkeit des Schriftsteller das Gebäude mitbestimmt. Das Zentrum in der kargen Landschaft Hamarøys in denen Hamsun lebte und arbeitete, die Stille und Einsamkeit sind gefragt, sich zu engagieren, mit ihm und seiner Arbeit. Das Buch dokumentiert die Verbindung zwischen Hamsun, Architektur und Landschaft. Der Fotograf Iwan Baan setzt das Verhältnis zwischen Landschaft und Gebäude in Beziehung. Historische Dokumente zeigen das widersprüchliche Leben Hamsuns und seine einflussreiche Arbeit. Hamsun wurde 1920 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet.
Das erste Kapitel von Aaslaug Vaa beginnt mit einer Reisebeschreibung nach Manhattan, die Heimat des Architekten Steven Holl. Eine literarische Reise über den atlantischen Ozean nach Nordnorwegen nimmt ihren Anfang. Knut Hamsun (1859 - 1952) unternahm schon im Jahre 1882 eine Reise nach Übersee von Europa aus. Anlaß für umfangreiche Beschreibungen die mit Lebensdaten zum Schriftsteller verknüpft sind. Auf Seite 15, findet sich die ganzseitige Abbildung einer Titelseite der Zeitung "Aftenposten" vom 7. Mai 1945 mit einem Kommentar Hamsuns, indem er seine Einstellung gegenüber Hitler kommentiert, was nach Kriegsende und nach der Kapitulation der Deutschen erfolgte. Sein zwiespältig offenes Verhältnis, das Hamsun zeitlebens gegenüber Hitler hegte, sorgte dafür, daß auch noch im Jubiläumsjahr 2009 die Erwartungen an die Aktualisierung seines schriftstellerischen Werkes nicht erfüllt wurden.
Mit dem turmartigen Neubau wurde das so dringend benötigte Hamsun-Zentrum in die Wirklichkeit umgesetzt. Nordland mit der Kommune Hamarøy feierten den Baubeginn und die Grundsteinlegung im Jahre 2008. Eröffnet wurde das Gebäude anlässlich des 150. Geburtstages Hamsuns. Nach Fertigstellung der Ausstellungs- und Inneneinrichtung wurde das Zentrum am 13. Juni 2010 auch für das Publikum geöffnet. Der Bau wurde 2010 mit dem „International Architecture Award“ ausgezeichnet.
Es heißt: "Steven Holls Interpretation und Umsetzung von Hamsuns Werk in Baukunst war umstritten, weil er die Skizzen des Turms bei seinem ersten Besuch in Hamarøy anfertigte. Die Kritiker haben darin recht, daß dieser charakteristische Bau nicht das Ergebnis eines Architekturwettbewerbs ist. Der Architekt Steven Holl wurde vom Vorstand der 'Hamsunzentrum Aktiengesellschaft' vor dem Hintergrund vor begutachteten Alternativen engagiert."
Das skizzierte Projekt, so weiter im Buch, das 1996 vorgestellt wurde, war ein 23 Meter hohes Gebäude über insgesamt 600 Quadratmeter, verteilt auf sechs Etagen mit offener Raumgestaltung. Der Turm erhielt im Ausland Zustimmung was in Norwegen immer noch auf Gegenwind stieß. Kritisch wurde schon der gläserne Aufzug für 25 Personen betrachtet.. Das Gebäude sei so speziell, daß es vom eigentlichen Zweck ablenken würde. Moderne Architektur passe im Grunde gar nicht zu Hamsun, lautete die Kritik am Neubau.
Wobei Hamsun kein konservativer Schriftsteller im herkömmlichen Sinne war, sondern jemand der sparsam und einfach in seiner Formsprache umging. Architektur im Sinne Hamsuns sollte deshalb immer nach Einhaltung der Einfachheit suchen. Dann fügt sich das Gebäude von allein den Bedingungen, die gestellt werden. Sehr bekannt geworden sind Hamsuns Romane "Hunger" (1890) und "Pan" (1894), die eben mit dieser Sparsamkeit in der Ausführung geschrieben wurden. Dabei wissen Schriftsteller im allgemeinen genau, daß er in allen seinen Aspekten als der Vater der modernen Literatur gilt.
Neben Aufnahmen von der Baustelle sind mehrere Zeitungsartikel abgedruckt und Buchumschläge der frühen Hamsun Romane. Darüber hinaus gibt es Grundrisse und Pläne des Gebäudes. Zu finden sind zahlreiche Fotografien mit Innen- und Außenansichten vom Neubau. Doppelseitige Fotos zeigen die Landschaft der Umgebung, in unterschiedlichen Einstellungen für Tag und Nachtzeit. Modelle wie Skizzen und Entwürfe des neuen Gebäudes werden in zahlreichen Beiträgen beschrieben wie in dem von Juhani Pallasmaa mit dem Beitrag: "Ein architektonisches Portrait. Zwischen der literarischen und der gebauten Metapher." Er stellt das Gebäude von Steven Holl in den Kontext einer Architekturdebatte. Hier finden sich Kapellen, Museen und andere Gebäude zum Vergleich. Auch Erik Fenstad Langdalen beschreibt in seinem Beitrag: "Ein magischer Turm. Vom Konzept zum Neubau." die Entstehungsgeschichte des Hauses ergänzt durch Fotografien.
Viele andere Autoren waren beteiligt, wie Paul Auster: "Die Kunst des Hungers"; Henning Carlsen: "Hunger"; Monika Zagar: "Hamsuns Werk und seine politische Einstellung", Lars Frode Larsen: "Die Hamsunsche Stipendiumsangelegenheit - 1897"; Stefanie von Schnurbein: "Warum lesen Männer Hamsun?", Catherine Kroger: "Blumen zum Schmuck", Ghita Norby, im Gespräch mit Niels Bürger Wamberg: "Marie Hamsun"; Therese Bjoerneboe:" Hamsuns Irrationalismus auf der Bühne", Sebastian Hartmann "Segen der Erde" und die Knut Hamsun Biographie.
Pedro Rosa Mendes: "Im Norden"; Eric Fenster Langdalen: "Ein magischer Turm"; Stephen Holl: "Konzept 1998", Mari Lendiing: "Museum einer Ausstellung"; Steven Holl, "Knut Hamsun-Zentrum, 1994-2009" und Steven Holl Biografie; Yehuda Safran Emmanuel , "Hamsun und Holl"; Tor Eystein Oeverås: "Der Sommer 1996"; Juhani Pallasmaa: "Ein architektonisches Portrait", Nachwort und Anmerkungen.
Das Schriftbild wirkt in manchen Bereichen kleingedruckt. Die Seitenrand dagegen ist sehr breit, so daß sich leere Ränder auf einigen Seiten auftun. Die Seiten im vorderen Teil sind aus einem leicht rauen und leicht getönten, griffigen Papier, während der zweite Teil auf weißem Kunstdruckpapier gedruckt ist, um die Qualität der Abbildungen besser wiederzugeben. Es handelt sich um die Papiere Munken-Pure und Allegro demi-matt.