An der Leuphana-Universität Lüneburg hat ein neues Zentralgebäude nach Entwürfen des Leuphana-Professors, Daniel Libeskind seinen Betrieb aufgenommen. Er lehrte bis 2016 in Lüneburg, war dort interdisziplinär tätig. Da die Architektur in Lüneburg nicht mit eigenem Fachbereich vertreten ist, sammelte Libeskind Eindrücke aus unterschiedlichen Disziplinen, die sich mit dem Thema umweltbewusst, nachhaltig und energieeffizient Bauen befassten.
Foto (c) Kulturexpress
Die Universität befindet sich auf dem Gelände einer ehemaligen Wehrmachtskaserne. Der Entwurf von Daniel Libeskind setzt einen Kontrapunkt zu deren Struktur. Für seine Arbeit suchte der Architekt den intensiven Austausch mit Studierenden, ließ Wünsche und Vorstellungen der wichtigsten Nutzergruppe in die Entwicklung einfließen. Bei der Eröffnung sagte Libeskind: „Für das neue Zentralgebäude der Leuphana habe ich mich vom Geist dieser Universität inspirieren lassen. Die Leuphana erlebe ich als einen Brutkasten für neue Ideen, Innovation, Forschung und Entdeckung. Von diesen Elementen ist auch das neue Haus durchdrungen.“
Der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil eröffnete das neue Zentralgebäude der Universität am 11. März diesen Jahres feierlich im Beisein zahlreicher Gäste. An der Zeremonie nahmen rund 900 Vertreter aus Politik, Kirche, Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft teil, unter ihnen Mitglieder der Landesregierung und Repräsentanten des Bundestages.
Der Libeskind-Neubau ermöglicht der Universität, künftig alle – bisher auf drei Standorte verteilten – Fächer und Lehrveranstaltungen auf dem zentralen Campus an der Scharnhorststraße in Lüneburg zusammenzuführen. Die bisherige Struktur der Bebauung ist geprägt von einem orthogonalen Raster. Dazu setzt der Libeskind-Entwurf seinen Kontrapunkt und bricht dieses Raster auf. Getragen wird das Projekt von der Leitidee eines idealen Orts, an dem sich Studieren, Forschen und Leben miteinander vereinbaren lassen. Das Gebäude repräsentiere die offene demokratische Gesellschaft. Seine wichtigste Funktion sei es, Menschen zusammenzubringen, beschrieb Daniel Libeskind einmal seinen Ansatz.
Die Kosten des fast 37 m hohen Bauwerks liegen bei rund 100 Mio Euro. Das Gebäude gliedert sich in vier gestalterisch differenziert ausgebildete Teile: ein Seminarzentrum, ein Studierendenzentrum, ein Forschungszentrum und ein Auditorium Maximum. Das Gebäude verfügt über eine Gesamtnutzfläche von 13.000 m². Die Forschung nimmt gut die Hälfte des zur Verfügung stehenden Platzes ein. 2.800 m² Fläche sind für ein Studierendenzentrum vorgesehen, 2.600 m² für ein Seminarzentrum. Das Auditorium Maximum wird Platz für 1.200 Besucher bieten.
Grundriss EG (Ausschnitt Rettungsplan)
Der Baukörper des Seminarzentrums hebt sich in östlicher Richtung nach oben an und markiert zur Straße hin einen Haupteingang. Wer das Hauptfoyer betritt, gelangt zunächst in eine große Halle, die mit schrägen Wänden zum Teil aus Sichtbeton über mehrere Stockwerke hinweg Ankommenden und Studierenden einen großräumigen Empfang bereitet. In der Mitte, im Kernbereich des Gebäudes befinden sich Aufzüge und Durchgangsräume. Eine Treppe führt nach oben. Bemerkenswert ist auch die Akustik, die Eingangshalle, Caféteria und Auditorium jeder Raum für sich ermöglichen. An der Decke befinden sich Lichtöffnungen, die durch die asymmetrische Bauweise im Baukörper wie verschobene Fenster erscheinen. Ein zweiter Eingang befindet sich gegenüber, der sich dem Campus zuwendet.
Perspektivisch ist der Bauköper auch aus größerer Entfernung erlebbar. Einerseits kristalline, andererseits asymmetrische Proportionen bestimmen das Bild beim darauf zugehen, wobei auch hier die Perspektive veränderlich ist. Um so mehr sich der Passant dem Baukörper annähert, wird der Bau natürlicherweise um so größer. Es ist ein Blickwinkel mit Auswirkungen. Die Architektur folgt damit der Zeitströmung des Dekonstruktivismus, indem Struktur und Form einer Destruktion und einer erneuten Konstruktion zu gleichen Teilen folgen.
Im Dezember 2017 waren noch nicht alle Räume bezugsfertig. Die Planung sieht die Einrichtung zwar in vielen Einzelheiten vor, die komplette Möblierung fehlte zum Teil in den Seminarräumen in den oberen Stockwerken. Die Caféteria im EG war ebenfalls noch nicht eingerichtet, dafür wurde Mitte Dezember noch ein Pächter gesucht. Die Kabelstränge ragten schon aus dem Boden, die für feste Installationen gedacht sind. Auch Seminare fanden ohne räumliche Abtrennung in der großen Eingangshalle statt. So soll auch in der Caféteria die Möglichkeit für externe Veranstaltungen gegeben sein.
Daniel Libeskind vermeidet in seiner Bauweise rechteckige Räume, die ausschließlich dem rechten Winkel folgen. Dieser Eindruck bestimmt die Architektur des Gebäudes in seiner gesamten Konzeption. Die Geometrie des Gebäudes im Grundriss, Ansicht und Schnitt ist deshalb sehr anspruchsvoll. Die Außen- und zum Teil Innenwände sind unterschiedlich geneigt und weisen keine Rechtwinkligkeit im Grundriss und Schnitt auf. Das kann unter Umständen gewöhnungsbedürftig für Studierende oder Besucher insbesondere Konzertbesucher des Auditorium Maximum sein, da diese Bauweise außerhalb einer üblichen Norm liegt.
Hier ist die Caféteria im EG. Der Raum soll auch für anderweitige Veranstaltungen genutzt werden. Die Kabel am Boden waren schon gelegt, die Installationen fehlten noch. Die tomatenrote Wandfarbe war eine Vorgabe des Architekten Daniel Libeskind. |
Das Forschungszentrum überragt die anderen Bauteile wie ein Leuchtturm und dokumentiert damit die Bedeutung der Forschung für die Universität. Schon durch seine Höhe schafft dieser Baukörper neue Blickachsen, da aus den oberen Etagen sogar Sichtkontakt zur Lüneburger Innenstadt besteht und umgekehrt.
Das Auditorium ist südlich an die anderen Baukörper angeschlossen. Seine 1.100 Sitzplätze werden mit Hilfe einer flexiblen Bestuhlungsanlage bereitgestellt: Rund 800 Sitze der gesamten Bestuhlung können bei Bedarf an der Rückwand des Auditoriums zusammengeschoben werden, die anderen rund 300 stehen ebenerdig in Stuhlreihen. Sobald die Bestuhlungsanlage ihre Parkposition in einer Ecke des Saales erreicht hat, kann eine Schiebewand geöffnet und so die Fläche des Auditoriums zum Foyer hin erweitert werden.
Alle Gebäudeteile sind vom UG bis hinauf ins 1. OG miteinander verknüpft: Studierendenzentrum, Forschungszentrum, Seminarzentrum und Auditorium. Die vertikale Erschließung dieser Ebenen erfolgt dabei nicht nur über die Aufzüge, sondern auch über Treppenanlagen und Galerien im Forschungszentrum, Seminarzentrum und im Auditorium. Ein Foyer ermöglicht den Zugang zu allen vier Gebäudeteilen und macht deren Interaktion erlebbar.
Fernsicht auf das Universitätsgebäude aufgenommen vom Wasserturm, am 12. Dezember 2017 aus der Lüneburger Innenstadt |
Die Dachkonstruktionen sind stark geneigt oder als Zylinderschalen gekrümmt. Es entstehen komplexe Durchdringungen und Anschlüsse der einzelnen Bau- und Gebäudeteile. In den Fassadenflächen befinden sich großflächige, nicht rechteckige Fenster- und Fassadenöffnungen, welche die Außenwand zum Teil über zwei Geschosse oder über Eck zu durchbrechen und aufzulösen scheinen.
Das Gebäude setzt Maßstäbe im Bereich öffentlicher Bauten, sowohl bei der Gestaltung als auch mit Blick auf Nachhaltigkeit und Energieeffizienz. Energieoptimiertes Bauen steht im Vordergrund. Das Bauwerk besticht durch technologische Innovationen, darunter eine elektrochrome Verglasung, die Verwendung von PCM (Phase Change Materials) sowie verschiedene Bausteine für eine nutzerabhängige Gebäudeleittechnik. Bereits in der Entwurfsplanung wurde besonderer Wert darauf gelegt, ein öffentliches Gebäude zu schaffen, das ohne die Nutzung von Primärenergie betrieben werden kann. Das Gebäude wird teilweise in Stahlbeton, teilweise in Stahlbetonverbundbauweise errichtet