Das Neue Frankfurt der 1920er Jahre

 

 Aufbruch in die Moderne, aber auch Hungersnot, Elend und existenzielle Not der Massen standen auf der Tagesordnung. Es gab den Traum vom Pazifismus und von der Weltrevolution und es gab auch diejenigen, die militant chauvinistisch waren.Das Telefon gehörte zu den neuen Kommunikationsmitteln. Vor allem waren es die technischen Neuerungen, die den gesellschaftlichen Wandel sprungartig motivierten. Das drückt sich auch in der modernen Architektur in Frankfurt der 1920er Jahre aus. Legendär sind die Ernst-May Siedlungen, die einer bestimmten Devise folgen, die heißt: Form folgt Funktion.

 

Sein Konzept der dezentralen Siedlungsweise brachte ihm 1925 die Aufgabe als Stadtbaurat in Frankfurt am Main ein, wo er unter OB Ludwig Landmann das Hochbau- und Siedlungsamt leitete. Dort war Ernst May für das gesamte Bauwesen der Stadt zuständig vom Hoch- und Tiefbau bis zum Garten- und Friedhofswesen.
 

Siedlungs- und Kirchenbau standen in engem baulichen Kontext. Denn auch in der Kirche gab es Veränderungen. 1922 gründete sich die Frankfurter Landeskirche. Mit der Landeskirchenversammlung gab es erstmals ein demokratisches Organ. Schon 1921 wurde die Niederräder Gemeinde Mitglied der Frankfurter Stadtsynode. Doch das Geld für den Neubau einer Kirche fiel der Inflation zum Opfer, der Gedanke daran wurde vorerst aufgegeben.

 

In den Verband der bedrohten Kirchenbauten in Frankfurt zählt auch die umstrittene Matthäus-Kirche in der Theodor-Heuss Allee umgeben von Hochhäusern der Innenstadt, ein Vorkriegsbau im neugotischen Stil des Architekten Friedrich Pützer (1871 - 1922) aus dem Jahre 1905. Eine Kirche, die nach Kriegszerstörung bis 1945 und im Wiederaufbau ausschließlich einer schlichten Formensprache der Nachkriegszeit folgt.

 

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1927 wurde der Antrag für einen neuen Kirchenbau an die Stadtsynode in Niederrad gestellt, dieser wurde genehmigt und ein Grundstück wird in der Gerauer Straße gekauft. Noch waren dort überall Äcker, aber eine städtische Planung, dieses Gebiet zu bebauen, lag schon vor. Die Gemeinde wuchs, die kleine Kirche sollte nicht mehr ausreichen. Man wollte die Abwanderung der Gemeindemitglieder verhindern, so wurde der Antrag für den Bau gestellt und von der neu gegründeten Stadtsynode genehmigt. Am 29. September 1929 konnte der Grundstein zum neuen Gemeindehaus der evangelischen Paul-Gerhardt-Gemeinde gelegt werden.

 

Das Gebäude wurde von dem Architekten Gustav Schaupp (1891 - 1977) entworfen. Er war Mitarbeiter Ernst Mays. Deshalb ist auch eine Ähnlichkeit in der Gebäudestruktur spürbar, wie sie sich aus dem Bild der katholischen Heiligkreuzkirche am Bornheimer Hang des Architekten Martin Weber (1890 - 1941) der Jahre 1928-1929 ergibt. Er war ebenfalls bei Ernst May tätig. Die Gebäudehöhe ist ein Merkmal der Unterscheidung, wie sich die katholische von der evangelischen Liturgie unterscheidet, was wiederum Auswirkungen auf die Raumgestaltung hat. Im Habitus aber sind sie sich doch ausgesprochen ähnlich. Gotisches Element ist die schlanke und hohe Bauweise. Beide sind weiß verputzt und passen sich formal an die von Ernst May erdachte Siedlungsbauweise an. Die großformatige quadratische Fensterfront an der Kirche der Paul-Gerhardt-Gemeinde wirkt sehr modern. Während die vier Evangelisten in Form von Tiergestalten die an der Außenfassade Heiligkreuzkirche zur Schau gestellt sind, stark an die Architektursprache gotischer Figuren erinnert. Dieser Eindruck wird durch die Überhöhung des Gebäudes gesteigert. Stützen in Form eines modernen Portikus sind bei beiden Kirchen an der Giebelseite. Bezeichnend ist die ausgedehnte Treppe, die bei beiden auf die Eingangsempore führt.

 

Zur Architektur des Gemeindehauses in Niederrad
Das Gemeindehaus der Paul Gerhardt Gemeinde ist in seinem architektonischen Aufbau im Äußeren wie im Inneren modern gedacht, ohne aber auf einen gewissen Anklang an die Tradition im Hinblick auf seine Zweckbestimmung zu verzichten. Das trifft auch auf die Heiligkreuzkirche am Bornheimer Hang zu.

 

In Niederrad betritt der Besucher das Haus über eine hohe säulengeschmückte Vorhalle und hat beim Eintritt in den Saal den Altarraum und die Kanzel vor sich. Bei Gemeindefeiern und anderen Veranstaltung betritt man das Haus unter der Freitreppe im Sockelgeschoss und kommt in den Saal mit Blick auf die Bühne.

 

Durch eine verschiedene Farbgebung wird auch der Saal von der einen Seite einen ganz anderen stimmungsmäßigen Eindruck machen, wie von der anderen Seite, so dass der Besucher gefühlsmäßig der Meinung sein wird in zwei verschiedenen Räumen gewesen zu sein.

 

Im Grossen Saal sind bis zu 1000 Personen unterzubringen. Dieselben verteilen sich auf Saalparterre, zwei große Seitenemporen und eine rückwärtige Sängerempore. Das konstruktive Gerippe des Gebäudes ist in Eisenbeton konstruiert. Diese Konstruktion wurde so ausgenutzt, dass mächtige zusammenhängende Fenstergruppen entstehen die das Gebäude taghell erleuchten. Auch auf eine gute Beheizung der Räume und gute technische Durcharbeitung wurde Wert gelegt, schrieb Gustav Schaupp im Jahre 1930 im Kirchenboten zum evangelischen Gemeindehaus.

 

Das Gemeindehaus – die “große Kirche” – in der Gerauer Straße ist renovierungsbedürftig. Nach langen Vorplanungen konnten am 22. Mai 2011 auf der Gemeindeversammlung die Ergebnisse vorgestellt werden, auf deren Grundlage die Baumaßnahmen umgesetzt werden sollen. Kirchsaal und Unterkirche werden nicht nur ästhetisch verschönert, sondern auch zeitgemäßen Anforderungen gerecht saniert. Das Gebäude wird nach Abschluss der Bauarbeiten barrierefrei und energetisch modernisiert sein.

 

In der Unterkirche, siehe Grundriss oben, werden der Gemeinde drei unterschiedlich große Gemeinderäume für die vielen gemeindlichen Aktivitäten zur Verfügung stehen, ergänzt durch eine Küche und einen „privaten“ Garten auf der Westseite des Gebäudes. Zum Kinder- und Jugendhaus hin werden die Fenster der Gemeinderäume bodentief sein was das Prinzip des fließenden Raums unterstützt und einer einladenden Wirkung des Gebäudes zuträglich ist. Das Gemeindebüro findet ebenfalls in der Unterkirche seinen Platz. Im Kirchsaal, siehe Grundriss unten, wird nicht so sehr umgebaut, sondern renoviert. Der Innenraum soll eventuell neu gestaltet werden, hierfür ist die Gemeinde in Kontakt mit mehreren Künstlern. Die Umbauarbeiten sollen im späten Frühjahr 2012 beginnen und mit dem dritten Bauabschnitt, der Renovierung der Außenfassade, im ersten Quartal 2013 abgeschlossen werden.

 

Mit dem Umbau des Gemeindehauses in der Gerauer Straße 52 sind für die Evangelische Paul-Gerhardt-Gemeinde in Niederrad hohe Erwartungen und Ziele verknüpft.


Um alle diese Ziele realisieren zu können, die das Gemeindehaus wieder voll nutzbar machen, ist viel Geld erforderlich. Das Budget für den Umbau, inklusive Erneuerung der grau gewordenen Fassade liegt bei mehr als zwei Millionen Euro. Etwa 250.000 Euro davon soll die Gemeinde in Eigenleistung aufbringen, hinzu kommen die Investitionen in die Innenausstattung, zum Beispiel neue Bestuhlung im Kirchsaal und Möbel für das Gemeindehaus, die auch von der Gemeinde getragen werden müssen. Eine Gesamtbelastung über 350.000 Euro ist zu erwarten.

 

Zum Download:  Untersuchungsbericht der Paul Gerhardt Gemeinde Kirche

 

Aufzug: ca. 50.000 Euro
Fenster: ca. 50.000 Euro, mit Schallschutz zusätzlich ca. 23.000 Euro
Sanierung Bodenbelag: 60.000 Euro (Erneuerung) oder 20.000 Euro (Aufarbeitung)
Inneneinrichtung: ca. 100.000 Euro (Teeküche, Gemeindeküche, Möblierung, Bestuhlung)
Außenanlagen: ca. 80.000 Euro
Brandschutz: 30.000 Euro

 

paul-gerhardt-gemeinde-ffm.de

 

Letzte Änderung am Montag, 26 September 2016 20:44
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