Vier Kapitel auf 421 Seiten umfassen den Band aus dem transcript Verlag. Gegliedert ohne Vorwort und ohne ein Nachwort. Der erste Satz im Buch lautet: Le Corbusier ging beim Besuch eines Klosters auf... Wie ein Lesebuch gelesen, unterteilt in Passagen und Absätze, ergibt sich eine fortlaufende Struktur. Folgende Satzeinleitung fällt heraus: "Worauf Architektur antwortet, das könnte also so etwas sein wie..." Das sind Satzdehnungen, die sich laufend wiederholen, als wenn der Autor auf der Suche wäre. Manche Formulierungen gleichen Statements auf die Architektur, auf den Menschen und auf die Gesellschaft. Daraus ist ein Kompendium der Gedankenansätze kreiert worden. Auf Dauer etwas erschöpfend, kann bei richtiger innerer Einstellung aber auch kontemplativ sein.
Gelegentlich fallen Namen von Theoretikern und Wissenschaftlern, die Anhaltspunkte liefern, wie die Ausrichtung ist. Darunter ist der Philosoph und Anthropologe Arnold Gehlen, der mehrfach erwähnt wird. Literarische Beispiele erweitern das Gedankenspiel und geben Auskunft: Heimito von Doderers Wiener Caféhausszenen oder bei Wilhelm Raabe hält sich der Autor auf. Was dagegen fehlt, ist ein konkreter hypothetischer Ansatz, der vorformuliert wurde. Text fängt einfach an und führt zu einer Anhäufung, ist kumulativ.
Das fördert das Lesen an sich, die Zielsuche nach bestimmten Inhalten bleibt jedoch sehr weit gefächert und somit auf der Strecke. Zudem sind Fußnoten zahlreich gesetzt. Das Substantiv "Architektur" hat Signalwirkung, ist ein Topos. Leser stoppen einen Moment und behandeln Gesagtes als Dreh- und Angelpunkt, was den Lesefluss wieder einschränkt. Abschnitte sind durch Buchstaben in alphanumerischer Reihenfolge gekennzeichnet, deren Bedeutung in Form einer Überschrift aber nicht erschlossen ist.
Das erste Kapitel im Buch nennt sich: "A. Orte und Grenzen, Leib und Blick, verkleinerte Modelle". Hieraus wird kein unmittelbarer Theorieansatz ablesbar. Eine theoretische Abhandlung hat andere Qualitäten. Vielleicht steckt eine textbezogene Iteration dahinter, die aufgebaut werden soll und die sich durch Vernetzung einzelner Lesefragmente durchaus erschließen mag.
Dr. Gerrit Confurius lebt als freier Autor in Berlin. Er arbeitete als Lektor für den »Greno-Verlag«, als Redakteur der »Bauwelt« und als Chefredakteur von »Daidalos«. Zu seinen Veröffentlichungen zählen u.a. »Sabbioneta oder die schöne Kunst der Stadtgründung« (Hanser), »Der Pinocchio-Effekt« (Sonderzahl) und »Ichzwang« (Matthes & Seitz).
Ein Stück Gesellschaftskritik findet dagegen auf jeden Fall statt. Untermalt mit zahlreichen Zitatgebern: Karl Marx bis Friedrich Nietzsche, Walter Benjamin, Gaston Bachelard und andere mehr verdeutlichen den Wissensumfang mit dem gehandelt wird. Daraus ergibt sich die Schwierigkeit, dass Probleme der Architektur und Gesellschaftskritik, letzteres ist immer auf die Masse ausgerichtet, vermischt werden. Die Suche nach baulicher Veränderung im technischen Sinne verschwimmt völlig. Weitere Kapitel im Buch sind: B. Die Sprache der Monumente, der Skandal des Ornaments; C. Mitte und Peripherie und D. Permanenz und Gedächtnis, Demiurg und Bastler.
Eine Buchrezension von Kulturexpress