Der Reaktor (2011) Roman von Elisabeth Filhol Edition Nautilus

Der Reaktor
 Roman von Elisabeth Filhol
 Aus dem Französischen übertragen von Cornelia Wend
 Edition Nautilus, 1. Auflage, Hamburg
 122 Seiten, gebunden
 Größe: 21,2 x 13 x 1,6 cm
 Gewicht: 250g
 ISBN: 978-3894017408 

An Aktualität hat der Roman nichts eingebüßt. Die Worte stehen geschrieben. Frankreich das Land mit den meisten Atomkraftwerken am Netz und das in unmittelbarer Nachbarschaft zu Deutschland. Hier werden kritische Töne laut. Elisabeths Filhols Roman zeichnet die Anti-Atomkraftbewegung aus und die bürokratischen Hindernisse, die mit der Kernenergie verknüpft sind. Was eine Jahrhunderte währende Beschäftigung nach sich ziehen wird, solange die Halbwertzeiten radioaktiver Stoffe am laufen sind. Ein Roman, der sich wie ein Baumkuchen aufschichtet und wieder abträgt.

 

Die Stimme des Romans hat etwas protokollarisches im Sinn, nicht so emotional und gegnerisch wie die Romanchronik "Tschernobyl" der Ukrainierin Svetlana Alexijewitsch. Dennoch, Filhols Buch erkennt die Zielgruppe um die es geht und für die er geschrieben ist. Kein gewöhnliches Unterhaltungswerk, sondern Aufklärung will das Buch sein und das aus französischer Sicht. Es ist eben erzählerische Aufklärung im Stil der Zeit. Die Autorin scheut sich nicht zahlreiche Markennamen aus der Autoindustrie frei zu benennen, wenn dies den Erzählfluß im Roman weitertransportiert. Der Satzbau in manchen Passagen wirkt verkürzt, gerade noch lang genug um einen Sachverhalt wiederzugeben. Die Handlung ist knapp bemessen, keine großartigen Schwärmereien wie das sonst in Prosaform geschieht. Eher nüchtern und passabel beschreibt sie die Umgebung am Arbeitsplatz im Reaktor. Der Mann im Roman heißt Jean-Yves, er bereitet den Braten in der Küche zu.

 

Ist sie Außenstehende vor dem Geschehen, ist sie spitzfindige Beobachterin oder will sie einen Zugang bis in das Innere der Reaktorwelt erschließen? Neue Lebenswelten eröffnen sich dem Leser auf diese Weise. Es sind Einblicke die gewährt werden, wie im Dokumentarfilm "Unter Kontrolle" (2010) von Volker Sattel oder der russische Kinofilm "An einem Samstag" (2011) in der Regie von Alexander Mindadze, der das Geschehen von 1986 noch einmal anreißt auf eine vom Leben erfüllte Art. Das zeigt wie aktuell das Thema in den Köpfen der Menschen ist. Nicht zuletzt werden die Ereignisse in Fukushima auf den Tagesplan gerufen, obwohl der Roman keine Unglücksszenarien heraufbeschwören will, wie das bei Gudrun Pausewang im Roman "Die Wolke" der Fall ist.

 

"Am Freitag rekonstruieren wir den Störfall am Simulator" heißt es am Anfang des siebten Kapitels, um den Wahrheitsfall im Studio nachzuahmen. Interne Schaltkreise sind beschrieben, die zum Tagesablauf gehören. Techniker und Ingenieure befinden sich gleich in der Nähe. Stressmanagement und Kollektivarbeit bestimmen das Klima im Reaktorraum. Die Sehnsucht nach schöneren Dingen im Leben scheint auf diesem Weg verloren gegangen zu sein. Eine Arbeitswelt hinter Wänden wird beschrieben, entsprechend starr ist die Termini im Roman stellenweise gewählt.

 

Eckpunkte Frankreichs sind die Landschaft. Die geographischen Grenzen sind bezeichnet. Flüsse wie die Rhône und die Loire kommen vor. Reaktoren benötigen Wasserkühlung. Das Massif Central wird erwähnt. Jene bilden den Hintergrund zusammen mit dem Reaktor  -  wie national die Frage der Atomkraft doch ist  -  menschliche Gesichter dagegen verschwimmen beinahe hinter bürokratischen Leitlinien. Individuum ist die Ich-Erzählerin. Sie ist diejenige, die beobachtet und registriert. Noch ist das Kind nicht in den Brunnen gefallen, könnte die Nachricht lauten, die dem Leser vermittelt wird.

 

In Schweden ist der Roman von Elisabeth Filhol ein großer Erfolg. Auch in Deutschland hat der Roman Leserschaft und Anerkennung verdient.

 

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