Ein systemischer Roman, der aus den frühen Jahren der Sowjetunion erzählt. Die Oktober Revolution war noch nicht überwunden. Menschen sind dabei sich zu orientieren. Neue Regeln schaffen, die helfen das Leben zu bewältigen. Dazu zählt eine geregelte Nahrungsaufnahme. Essen und Trinken stehen in diesen Jahren Anfang des 20. Jahrhunderts mit an erster Stelle der Bedürfnisse, die die Menschen haben. Deshalb steht das Schaffen, die Baugrube und deren Organisation wie ein Sinnbild der Gesellschaft. Die Arbeit kann nur nach bestimmten Regeln funktionieren. Eine Maschinerie, die langsam ins Rollen kommt und an Gängen zulegt. Dahinter steht die Utopie und der Wille, der mit Pragmatismus versehen an die Umsetzung einer besseren Welt glaubt.
Man könnte auch sagen, konzeptionell basiert der Roman auf der Idee der Kolchose, indem das Kollektiv die Landwirtschaft für sich nutzt, um zu überleben. Die Art wie Platonow schreibt, erinnert zuerst an die Enge und Bedrücktheit von Menschen, die in Armut lebten und plötzlich, wie das Meer in der Brandung, ins 20.Jahrhundert gespült wurden. Die unverdaute russische Revolution steckt ihnen noch im Nacken. Rausch. Delirium. Das wird beim Lesen spürbar. Dabei ist die Klarheit zu bewundern, mit der Platonow mit sezierender Gewissheit seine Utopie von der Baugrube aufzeichnet. Woschtschew heißt sein Protagonist. Erstaunlich, mit welch linearer Durchgängigkeit er die Welt erschafft und welches Treiben in und um die Baugrube vor sich geht, obwohl nicht viel erfreuliches zu berichten ist.
Das Vorhaben und seine Dimensionen sollen schnelle Umsetzung finden. Dabei sind Opfer zu beklagen, womit eine Zunahme an Disziplinierung in das Leben der Baugrube einfließt. Platonow erzählt mit der Hingabe eines Idealisten, der über Individuen und aus dem Inneren der menschlichen Gemeinschaft berichtet. Ein durchlaufender Handlungsstrang entwickelt sich. Gerade damit wird die Auflösung des alten propagiert - kann aber lange dauern, bis alle genug zu Essen haben - Der Hunger spielt eine wesentliche Rolle im Roman. Ausreichend Nahrung ist ein Indiz für sein Gelingen. Wie eine zeichnerische Überhöhung baut sich das Gespenst von der Baugrube auf. Lohn ist, wenn Bauern Hühnchen und Beilage bekommen und sich richtig satt essen dürfen.
Um die Aktionen und Geschehnisse entsteht ein lebendiges Beziehungsgeflecht aus handelnden Personen mit Namen und Eigenschaften, die durchaus ihren Willen haben, die aber nicht das familiäre Klischee suchen, sondern aus unterschiedlichen Ecken des gleichen Landes zusammengewürfelt sind. Was sie vereint, ist eine Art geographischer Zusammengehörigkeit und die Lebenssituation der sie unterliegen, aber auch die Hierarchie der sie gehorchen, obwohl nicht ersichtlich ist, wer sie genau steuert außer der Autor vielleicht selbst.
Technische Angaben zu Bauabläufen werden selten gemacht. Vielmehr ist eine Maschinerie am Zuge, gespeist durch Arbeitskraft. Ein Ingenieur und mit ihm seine Kenntnisse sind Ausdruck der Hierarchie, die sich von der Gemeinschaft der Bauern unterscheidet, aber angeblich in ihrem Namen handelt. Mit Nastja, dem Waisenkind, das sich nach seiner bourgeoisen Mutter sehnt, ist der "neue Mensch" bereits unter ihnen. Doch am pessimistisch gestimmten Ende wird es in der Baugrube beerdigt, dem kollektiven Grab, das sich die Bauenden und Arbeitenden selbst erschaffen haben.
Eine Buchrezension von Kulturexpress
Wie kein zweiter Autor lässt Andrej Platonow (1899-1951) die Atmosphäre einer Epoche spüren, die voll war von Utopien und Prophezeiungen einer künftigen Welt. Die russische Revolution, die alle Bereiche des Lebens in diesem riesigen Land erfasste, der Kampf um einen "neuen Himmel und eine neue Erde", findet in seinem Werk einen unerhörten Ausdruck.
Auf der Grundlage der 2000 in Sankt Petersburg erschienenen, erstmals edierten gültigen Originalausgabe aus dem Jahre 1930 hat Gabriele Leupold, gerühmt für ihre Übersetzungen von Andrej Belyjs Petersburg und Warlam Schalamows Erzählungen aus Kolyma, eine neue deutsche Fassung des als unübersetzbar geltenden Buches erarbeitet.