Ein Stück Baugeschichte präsentiert dieser Band von park books. Aufgeschlüsselt in Kapitel, die in markanter Weise den Blick auf Betonbauten der 1970er und 1980er Jahre lenken und die Aufmerksamkeit für eine Bausubstanz stärken, die längst als abgeklärt und überholt gilt. Alltägliches, beinahe aus dem Bewusstsein getilgt, bisweilen störend und hinderlich und sicherlich bald dem Abriss geweiht, stünden diese Bauwerke nicht im Mittelpunkt dieser Publikation. Schweizer Architektur unterscheidet sich vom Massenhaften durch die Wertschätzung des Einzelnen.
Profanbauten, die ein wenig vom Glanz vergangener Zeiten durch die Bilder zurückerhalten. Über baurechtliche Sachverhalte ist nur wenig zu erfahren. Der städtebauliche Kontext wird nicht in den Mittelpunkt gestellt. Gebäude erscheinen wie Solitäre, obwohl sie das nicht sind. Schweizer Identität ist gefragt, die mittels Architektur sprechen lässt und sich bemüht auch die profane Schönheit der Bauten hervorzuheben. Zudem grenzübergreifend wie ein schmaler Grat der sich sein Terrain in die Nachbarländer erobert. Die Nordwestschweiz liegt im Dreiländereck zwischen Frankreich und Deutschland. Sie ist prädestiniert dafür über sich hinauszugehen. Was wäre geeigneter als die bauliche Konzeption. Denn Architektur überragt Mensch und Grenzen überlebensgroß, ohne die Anzeichen einer Okkupation zu haben. Vielmehr wird Baugeschichte erzählt, eine lineare Folge modischer Tendenzen, die in Beton und mit Mauerwerk ihre Umsetzung finden. Klassische Moderne, Nachkriegsarchitektur und Postmoderne stehen gleichberechtigt nebeneinander, setzen sich in Szene. Was mit den Gebäuden passieren wird, bleibt unklar. Denn Lebenszyklen von Betonbauten sind begrenzt. Irgendwann steht ein Abriss bevor oder die Gebäude weichen anderen Projekten. Neue Bauweisen sind wirtschaftlicher mehr als eine aufwendige Sanierung profitabel wäre. Hier stehen gravierende Entscheidungen bevor bei den Stadtplanern in der Region und dem Denkmalschutz. Deshalb ist es notwendig ein Bild zu haben, was vorhanden und was in Zukunft erhaltenswert ist und was nicht.
Beeindruckend sind die vielfältigen Blickwinkel aus denen heraus die Aufnahmen zu den Abbildungen entstanden. Sie vermitteln das Kleinod, die schlummernde Ecke vor dem Treppenaufgang, den Kreuzpunkt an der Straße oder die städtische Silhouette vor gebirgigem Hintergrund. Die Vorbilder sind klar: Le Corbusier schimmert durch die Vorhänge, scheint es. Postmoderne ist mit spielerischem Dekor belegt. Fenstererker, Türbögen und Balkonumrandungen treten hervor. Soll das alles Vergangenheit sein oder stecken in diesen Bildern vielleicht schon wieder die Ideen von morgen? Das Fazit zu diesem Buch könnte lauten: Es ist nicht alles schlecht, was die 1970er und -80er Jahre hervorgebracht haben.
Im Schlussteil sind zwei Interviews, welche die Kunsthistorikerin Ulrike Jehle mit der Architektin Silvia Gmür und dem Fotografen Christian Flierl führte, letzterer fertigte die Fotos im vorliegenden Band. Ein weiteres Interview führte die Autorin mit dem mittlerweile verstorbenen Architekten Rainer Senn und dessen Auseinandersetzung mit sakraler Bauweise. Mitautor zu "Völlig losgelöst" ist der Journalist Roger Ehret, der die historischen Hintergründe lieferte. Der Bucheinband in Halbleinen, der Deckel aus Graupappe mit Schriftaufsatz und einem Foto scheinbar einfach gestaltet. Ist aber sehr delikat und wirkt sehr ästhetisch in der Aufmachung.
Eine Buchrezension von Kulturexpress
Zu den aufgeführten Bauwerken zählen unter anderem: das Fernheizwerk Gundelfingen, 1979-82 und das Verwaltungsgebäude der UBS am Aeschenplatz 6, 1982-89, beide Gebäude von Burckhardt + Partner ebenso das Altenzentrum Weiherweg, Rudolfstraße 43, von 1973 - 77 ebenfalls in Basel.