Der sinnhafte Aufbau der gebauten Welt, stw 2139

Der sinnhafte Aufbau der gebauten Welt
von Silke Steets
suhrkamp taschenbuch wissenschaft, Bd. 2139
1. Auflage, Suhrkamp Verlag , Berlin
broschiert, 274 Seiten
ISBN: 978-3-518-29739-1
Auch als eBook erhältlich

 
Ein Sachbuch, das thematisch viel zu bieten hat. Es gilt die Auseinandersetzung zwischen Soziologie und Architektur verstehen zu lernen. Das Untersuchungsgebiet ist längst nicht erschöpft. Dahinter steht eine ganze Forschungsrichtung, einer Abteilung wie sie an der TU-Darmstadt mit fähigen wissenschaftlichen Mitarbeitern um Martina Löw und Helmuth Berking geboten wird. Erwähnung findet Susanne Hauser, die an der UdK in Berlin lehrt. Diese drei Autoren wurden hier an anderer Stelle schon in Buchrezensionen erwähnt. 
 
Die Autorin des vorliegenden stw-Bandes, Silke Steets benennt diese drei Wissenschaftler in ihrem Vorwort, was eine vieldeutige Aussage über den Ursprung der Arbeit und den Forschungskreis offenlegt. Nach einem Sinn der gebauten Welt suchen? Das ist doch zunächst einmal vermessen und eine schwer zu bewältigende Aufgabe. Ich frage mich manchmal, welchen Sinn diese unzählig vielen Bauten noch haben können, die einem in der Stadt fast nicht mehr auffallen wollen. Die hinter gleichförmigen Fassaden verschwinden, weil sie im Gedränge der Stadt kaum voneinander zu unterscheiden sind. Sehr schön zeigt das auch der aktuelle Film "Taxi Teheran" , der ab 23. Juli in die deutschen Kinos kommt und im Rahmen der 65. Berlinale den 'Goldenen Bären' gewann. In diesem Film wird eine Taxifahrt durch Teheran absolviert. Nicht zu vermeiden, neben der Beschäftigung mit den Fahrgästen im Taxi, sind die Blicke aus dem Fenster auf die umgebenden Straßenzüge, Kreuzungen, Einfahrten und Passagen zu den Häusern. Dabei entsteht ein Bild welches vermittelt, die große Stadt Teheran unterscheidet sich gar nicht sehr von anderen Großstädten. Städte die zum Beispiel in Deutschland zu finden sind. Teheran ist von Normalität geprägt wie anderswo auch. Die Abläufe sind ähnlich: Autos warten an Ampeln, Staus blockieren den Autofahrern den Weg und überall herrscht Trubel und Einkaufsstimmung. In der Großstadt ist sowas möglich.
 
Silke Steets spricht in ihrem Buch von Routinen, die dinghaft geworden sind, weil sie Institutionen und sprachliche Zeichen überdauern. Mit materiellen Objektivationen, so der Sprachschatz, sind im engeren Sinne auch herkömmliche Gebäude gemeint. Wir sind umgeben von Gebäuden und technischen Infrastrukturen. Wir besuchen Kirchen, die Shopping Mall und das Museum. Kämpfen für den Wiederaufbau oder Abriss. Die Autorin differenziert nicht unbedingt zwischen gebauter Architektur, wie sie offensichtlich zu verstehen ist, sondern bezieht die Landschaftsarchitektur gleich ein. Das heißt, es reicht aus, wenn ein Pfahl in die Landschaft geflockt wurde, um gestalterisch in die Architektur der Umgebung einzugreifen. Es geht also vielmehr um grundlegendes soziologischer Natur und Pauschalisierungen landschaftlicher Art, um einem Metakurs zu folgen. Wir sind damit mitten in einem Wissenschaftsdisput. Dabei behandelt die Autorin neben der soziologischen Natur auch phänomenologische Eigenschaften der gebauten Welt. In weiteren Kapiteln wird die Entstehung der Gebäude demonstriert als auch die Aneignung derer durch den Menschen. Begriffe wie Externalisierung, Objektivation und Internalisierung umfassen dabei den weiten Spannungsbogen der vorliegenden Betrachtung. 
 
Bauhaus und Bewegung nutzt die Autorin beispielhaft in der funktionalistischen Herangehensweise. Wichtig sind ihr Umsetzung und Idee, die vom Bauhaus ausgingen. Das ist natürlich nur die halbe Wahrheit, vereinfacht die Arbeit aber um einiges, obwohl heutzutage andere Strömungen außer denen des Bauhauses ebenfalls um Anerkennung ringen. Welche das Bauhaus und Bewegung kritisch betrachten, weil mittlerweile zu dominant geworden im Alltagsverständnis. Allerdings bringt die Bauhausforschung eine ausführliche Rezeptionsgeschichte mit, auf die zur Veranschaulichung theoretischer Überlegungen immer wieder zurückgegriffen werden kann. 
 
Aus soziologischer Sicht werden Marcel Mauss und Maurice Halbwachs als Schüler von Émile Durkheim zitiert, die sowohl die ethnische Sicht und den gesellschaftlichen Zusammenhang erkennen können und damit Bezug auf Architektur nehmen. Soziologisches Denken besteht darin, die sozialen Tatsachen wie Dinge zu betrachten, heißt es an einer Stelle. Ab Kapitel 3 ist mit Externalisierung das Entwerfen und Bauen schlechthin gemeint, welches ein nach Außen gehen erfordert, um damit etwas in die Realität umzusetzen. Gefragt wird nach den Mechanismen, die dazu führen, um das Gebäude Gewissheit werden zu lassen. Silke Steets nennt vielfältige Ansätze, die der Auseinandersetzung dienen, so etwa zum Thema: Leben und Tod. Das sind elementare Grundgedanken, die das Bauen immer wieder vor neue Herausforderungen stellt. Bei ihr geht es jedoch um Aufbewahrung der Toten auf einem Friedhof, der natürlich erst gebaut werden muß. 
 
Vor allem Rem Koolhaas, Frank L. Wright aber auch andere finden Gehör, sind praktisch Buch begleitend erwähnt. Die Zeichenhaftigkeit der Gebäude wird angesprochen, ohne jedoch den Begriff der Semiotik unmittelbar anzuwenden. Das Schlusswort und mehrere Zusammenfassungen fassen das Gesagte noch einmal abschließend zusammen.
 
Letzte Änderung am Montag, 26 Februar 2024 21:53
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