Karola Bloch. Architektin, Sozialistin, Freundin

Karola Bloch – Architektin, Sozialistin, Freundin 
Eine Neuentdeckung des Wirkens der Bauhaus-Schülerin
Hrsg. Irene Scherer
und Welf Schröter
Talheimer Verlag
1. Auflage, 2010, 
Broschiert, 392 Seiten
ISBN 978-3-89376-073-2 
Ein Buch aus dem Talheimer Verlag herausgegeben von Irene Scherer und Welf Schröter in der "Sammlung Kritisches Wissen". Mit dem Hinweis einer Neuentdeckung will der Verlag eine Annährung an eine widerständige Frau mit ungewöhnlichem Lebenslauf wagen. Den Herausgebern gelang es zahlreiche Dokumente aufzufinden, um bisher Unveröffentlichtes und Verschollenes wieder zugänglich zu machen.
 
Woher kam diese Frau, woher nahm sie ihr Wissen und woher hatte sie die Kraft und Kompetenz? Fragen zu denen der Band, der Teil einer umfangreichen Editionsarbeit ist,  eine Antwort gibt. Wer heute als junger Mensch auf die Lebensgeschichte der Architektin, Widerstandskämpferin und Sozialistin Karola Bloch stößt, entdeckt insbesondere eine Frau mit Mut und Zivilcourage, so heißt es gleich im Vorwort. Die 1905 im polnischen Lodz geborene Fabrikantentochter lernt schnell zu verstehen, wie schwer es ist als Frau selbständig tätig zu sein. Wissenschaftlerinnen wie Marie Curie waren eine seltene Ausnahme. 
 
Der erste Beitrag von  Irene Scherer befaßt sich in "Karola Bloch im Prozeß der historischen Emanzipation" mit den Anfangsjahren. Sie schreibt dann über die seit 1932 eingeschriebene Studentin an der Technischen Hochschule in Berlin: "Die Entwicklung neuer Raumkonzeptionen, die Einführung neuer Konzeptionsverfahren wie Materialien bildeten zusammen mit funktionalen Problemlösungen die Grundlagen zur Entwicklung einer Formensprache", wobei das neue und funktionelle Bauen ziel- und richtungweisend war. 
 
Dem voraus ging der schon mit der Französischen Revolution angelegte Wandel hin zur Moderne und einer immerwährenden Auseinandersetzung mit der Dualität von Körper und Geist, dem Gegensatz von Natur und Zivilisation, dem Gleichgewicht von Privatheit und Öffentlichkeit. 
 
Karola Bloch (1905-1994) hatte eine Grundhaltung und entfaltete daraus ihre Ideen weiter. Sie hieß eigentlich Piotrkowska und lernte ab 1927 den Philosophen Ernst Bloch kennen. Dieser schrieb in diesen Jahren über seine Gefühle für Karola in einem Brief an Siegfried Kracauer. Kracauer wiederum war jemand, der sehr vielseitige Tätigkeiten ausübte. Er war unter anderem Architekt und zählt zu den Mitbegründern der Soziologie als eigenständige Wissenschaft. 
 
Nach einigen Studienjahren in Wien war sie in Berlin angekommen und lernte bei dem Lehrer Hans Poelzig, der kein Bauhäusler war, sondern eine eigene Richtung vertrat, welche das deutsche Handwerk stärken sollte, indem er sich einer anderen reformerischen Bewegung dem Deutschen Werkbund zugewandt hatte. Nach der Machtübernahme durch die Nazis mußte Karola Bloch aufgrund ihrer jüdischen Herkunft in die Schweiz gehen. Dort studierte sie an der Universität Zürich, wo sie 1934 ihr Studium der Architektur abschließen konnte, im gleichen Jahr in dem sie Ernst Bloch heiratete. Die Emigration in die USA wird zwar nicht mit einem eigenen Beitrag behandelt, ist aber überall präsent zu lesen, insofern die bekannten Bauhaus Architekten wie Mies van der Rohe, Gropius und Breuer ebenfalls dorthin emigriert waren. Außerdem bekam Karola Bloch erste eigene Architekturaufträge, die zudem in der Zeitschrift  "Architectural Forum" publiziert wurden.
 
Der gesamte Band erstreckt sich über 392 Seiten, enthält zahlreiche s/w Abbildungen, nicht in allzu guter Qualität, aber es sind auch technische Zeichnungen wie Grundrisse und Ansichten dabei. Eigenartig ist eine Wiederholung derselben Abbildung im gleichen Format nur in unterschiedlichen Beiträgen wiedergegeben. Überwiegend steht das Biographische im Vordergrund. An der Veröffentlichung waren mehrere Autoren beteiligt. Der Band besteht aus 30 Aufsätzen, wovon etwa 15 Beiträge von Karola Bloch selbst stammen. Darunter ist ein Brief an den Architekten Hannes Meyer.  Ein anderer Beitrag "Über die zweckmäßige Küche" galt laut Herausgeber bisher als verschollen. Die SED hatte eine Veröffentlichung nur anonymisiert zugelassen. Auszüge aus den Originaltexten von Karola Bloch wurden im Buch abgedruckt. Das läßt erahnen mit welchen Schwierigkeiten sie kämpfte, auf welchem Terrain sich Karola Bloch bewegte in der Auseinandersetzung mit Kommunismus, DDR und der Sowjetunion. Viel Erwähnung findet Rosa Luxemburg.
 
Weitere Beiträge bestehen aus den Erinnerungen anderer Autoren sowie zeitgenössische, die sich thematisch mit ihr als Architektin befassen. Es werden Themen aus der Kunst gestreift. Der Beitrag von  Thilo Götze Regenbogen "Karola Bloch und Ludwig Meidner. Freundschaft und Korrespondenz" betrachtet den Expressionisten. Meidner fertigte verschiedene Radierungen mit dem Portrait von Karola Bloch an. Ein anderer Beitrag beschäftigt sich mit dem DDR Grafiker Carlfriedrich Claus. Nicht zuletzt gilt ihr die Aufmerksamkeit als Sozialpädagogin, die sich reformerisch in der Bundesrepublik Deutschland engagierte. Im Jahre 1961 verließ sie die frühere DDR, um nach Westdeutschland überzusiedeln. 
 
Beiträge sind durchgehend mit Fußnoten versehen. Am Schluß findet sich eine Übersicht der am Text beteiligten Autoren. Im Anschluß daran folgt ein mehrseitiges Namensverzeichnis, das sich inhaltlich über den gesamten Band erstreckt. Mehrfacherwähnungen haben Jürgen & Johanna Teller, Wolfram Burisch oder Dieter Brusberg.
 
Eindrucksvoll beinahe liebevoll beschreibt der Aufsatz von Anne König "Der Kindergarten der Leipziger Baumwollspinnerei. Auf den Spuren von Karola Bloch" ein Bauprojekt in der Region um Leipzig. Karola Bloch begutachtete bis 1957 im Auftrag der Deutschen Bauakademie Kindergarten-Neubauten in der Republik. Sie beschreibt auch den T-förmigen Grundriss mit klarer Trennung zweier Gruppeneinheiten für je 30 Kinder. Eine Reihe der Kinderkrippen und -gärten wurde unter Verwendung der Typenpläne von Karola Bloch erbaut. Ein 12seitiger Beitrag mit zahlreichen Abbildungen ist mit "Grundrißschemas von Einrichtungen für das Kleinkind" bezeichnet. Viele der Einrichtungen sind noch heute in Benutzung. 
 
Inhalt des Bandes:  
 
 Irene Scherer, Welf Schröter 
 Karola Bloch neu entdecken 
 Überraschende Dokumente und Eindrücke – Ein Vorwort 
 
 Irene Scherer 
 Karola Bloch im Prozess der historischen Emanzipation. 
 Kontinuität und Bruch im Leben einer eigenständigen Architektin 
 
 Jan Robert Bloch 
 Kann die Hoffnung lernen? – Thesen zu einer elementaren Frage 
 In Erinnerung an Karola Bloch 
 
 Frank M. Schuster, Volker Caysa 
 Auf den Spuren von Karola Bloch in Lodz – Versuch einer Erkundung 
 
 Thilo Götze Regenbogen 
 Karola Bloch und Ludwig Meidner – Freundschaft und Korrespondenz 
 
 Francesca Vidal
 Gedanken über den Weg der Architektin Karola Bloch 
 
 Welf Schröter 
 Architektin BDA Dipl.-Ing. Karola Bloch
 Vorbemerkungen zur Wiederveröffentlichung von vier Aufsätzen 
 Karola Blochs aus den fünfziger Jahren der DDR
 
 Dipl.-Ing. Karola Bloch
 Grundrißschemas von Einrichtungen für das Kleinkind (DDR 1953) 
 
 Architektin BDA Dipl.-Ing. Karola Bloch
 Das Kinderwochenheim "Zukunft der Nation" 
 der Leipziger Baumwollspinnerei (DDR 1955) 
 
 Karola Bloch 
 Zweckmäßige Küche (DDR 1959/61) 
 
 Dipl.-Ing. Karola Bloch 
 Wie man Warschau aufbaut (DDR 1953/55) 
 
 Karola Bloch 
 Der unkünstlerischste Naturalismus 
 Brief an Hannes Meyer 
 
 Anne König 
 Der Kindergarten der Leipziger Baumwollspinnerei 
 Auf den Spuren von Karola Bloch 
 
 Ingrid Sonntag 
 Freundschaft als Refugium 
 Briefe zwischen Ernst & Karola Bloch und Jürgen & Johanna Teller 
 
 Jürgen und Johanna Teller 
 Glückwunsch zum 86. Geburtstag 
 Brief an Karola Bloch 
 
 Jürgen und Johanna Teller 
 "Dem Altern kann man halt nur mit Heiterkeit begegnen." 
 Brief an Karola Bloch 
 
 Thilo Götze Regenbogen 
 "Bewegt-bewegend" – Carlfriedrich Claus und Ernst & Karola Bloch: 
 Korrespondenzen 1960–1985 
 
 Karola Bloch 
 "Ich leide sehr unter der Einsamkeit" 
 Aus drei Briefen an Carlfriedrich Claus nach dem Tode Ernst Blochs 
 
 Karola Bloch 
 "... aber primär bin ich, nicht er" 
 Ein Brief an Carlfriedrich Claus 
 
 Karola Bloch 
 Verbindung von Grafik und Philosophie 
 Briefe an Carlfriedrich Claus 
 
 Francesca Vidal 
 Bindungen 
 Aus dem Briefwechsel zwischen Ernst und Karola Bloch 
 mit Wolfram Burisch 
 
 Karola Bloch 
 Trubel zu Blochs 90. Geburtstag 
 Brief an Wolfram Burisch vom 26. Juni 1975 
 
 Karola Bloch 
 Ein markanter Satz 
 Brief an Wolfram Burisch vom 16. Februar 1976 
 
 Anne Frommann 
 "Das Auge des Gesetzes sitzt im Gesicht der herrschenden Klasse" 
 (Ernst Bloch) – Karola Bloch und der Verein "Hilfe zur Selbsthilfe" 
 
 Klaus Kufeld 
 Gelehrte Liebe 
 
 Karola Bloch 
 Gedenkworte zum Tod von Alfred Kantorowicz 
 
 Dipl.-Ing. Karola Bloch 
 Entscheidend ist vor allem die Stimme der Werktätigen 
 Brief an das "Neue Deutschland" zu den Ereignissen am 17. Juni 1953
 
 Karola Bloch et al. 
 Freiheit für die Fantasie 
 Erklärung ehemaliger DDR-Bürger (1987) 
 
 Karola Bloch
 "Nie sollen wir vergessen, was die Kriege der Menschheit angetan haben" 
 Rede zum 8. Mai 1985 
 
 Karola Bloch 
 Dadek und Izio 
 Ein Brief an Jan Robert Bloch 
 
 Welf Schröter 
 Karola Bloch und das Trauma der Ermordung ihrer Familie 
 Briefe aus dem Warschauer Ghetto 
 
 Angaben zu den Autorinnen und Autoren
 
 Personenverzeichnis
Letzte Änderung am Montag, 26 Februar 2024 21:53
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